Leibesertüchtigung

Schneckenlecken oder Snaillicking ist hierzulande noch ein recht unbekanntes Steckenpferd. Aber der Trend von Geocaching flaut langsam ab und Slacklining ist nicht wirklich spannend. Warum soll man sich also nicht einfach mal bewusst auf den warmen Asphalt legen und mit der Zungenspitze schön langsam über ein Weichtier streichen, wie es schon einst die alten Römer (vielleicht) gemacht haben? Die Überwindung vom Ekel zahlt sich mit einer erklecklichen Sofortüberweisung aufs Adrenalinkonto aus, der naturverträgliche und für die Schnecke angenehme Spaß eignet sich für Partywetten genauso wie für Familienzusammenführungen und Aufnahmerituale in exklusive Herrenclubs. Doch das Potenzial wird dadurch noch lange nicht ausgeschöpft.

Zeitnah wird es bei Intersport die passende Streetwear fürs Outdoor-Snailen geben, Seitengassenläden werden sich auf Profizubehör spezialisieren und kreative Szenegrößen werden sich auf der ganzen Welt mit atemberaubenden Licks gegenseitig zu übertrumpfen wissen. Unter Pionieren bereits bekannt sind Spezialtricks wie der Kuss der Sterne von Seraphima Teuchelmauck, bei dem der Leckvorgang während eines halsbrecherischen Saltos durchgeführt wird. Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos.
Als ich mal eine Bananenschale wegwarf.

Die faulende Masse fällt aus meiner Hand wie ein alter Lappen. Der raue Asphalt ist ihr Schicksal. Es ist eine große Genugtuung, die olle Hülse unter den Schuhsohlen zu zerreiben. Aus lauter Erregung ziehe ich meine Lippe an den Zähnen hoch und kaue auf meiner Zunge, bis ich einen metalligen Geschmack im Mund habe. Ein süßer Geruch steigt auf, das Kleintier kommt neugierig aus seinen Löchern und schart sich um den Manschebrei. Nach kurzer Dauer vergessen die scheuen Wesen alle Vorsicht und stürzen sich ausgehungert auf die bräunliche Melasse. Ich sehe dem aufgeregten Treiben noch für einen Moment zu, dann malträtiere ich wieder durch die Straßen der schlafenden Stadt.

Intimes Intermezzo

















Ich schnippe mein Eis, an dem ich mich laben und erquicken will, mit einem präzisen Schnalzen der Fingerspitzen der Kassenfrau entgegen. Mit einem freundlichen Hallo besinnen wir uns darauf, dass wir zwei Individuen sind, deren geistig-leibliche Kosmen aufeinandertreffen und deshalb durch eine soziale Interaktion eine kognitive Rückkopplung auf gemeingültige Werte erfolgen muss. Jedoch, der zebrafarbene Strichcode weigert sich vehement dem Scanner die persönlichen Daten des frostigen Blockes herauszugeben, worauf mich Frau Rucktäschel errötend fragt, ob ich mich des Preises dieser koscheren Lukullität entblöden könnte. Aber selbstverständlich. "Kostet 80 Cent, gnä' Frau!" entfährt es jäh meinen magentafarbenen Lippen. Ohne dass ich den geringsten Anflug von Missfallen auf ihrem warmen Gesicht erkenne, nickt sie mir freundlich zu und ich drücke ihr den rechtmäßigen Betrag in die zarten Hände. Mit einer liebkosenden Verabschiedung trennen sich unsere molekularen Universen voneinander, bis zur nächsten Begegnung in der Zwielichtzone.